Mein aktuelles Programm „Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene” ist KEINE Lesung, sondern eine atemberaubende Sightseeing-Tour durch das angeblich so hässliche, schmutzige und arrogante Warschau. Da trotz der Warnung im Titel erfahrungsgemäß auch viele Polen-Anfänger kommen, die behutsam an die Hand genommen werden müssen, geht es zunächst mal ganz entspannt nach Krakau, die frühere Hauptstadt. Ich zeige idyllische Fotos, habe eine echte Krakau-Fahne auf meinem Schreibtisch und spiele das uralte Turmsignal „Hejnal“ vor, bei dem der Trompeter bis heute einen Tartarenpfeil in die Kehle kriegt. Doch dann wird die Bühne (von meinen zehn Roadies) blitzschnell umdekoriert: Eine Warschau-Fahne flattert, und nun ist der Kulturpalast zu sehen, Europas schönster Wolkenkratzer.
Ich erzähle von meiner ersten Zeit als Millionär, von einigen Schlawinern unter den 12 000 Warschauer Taxifahrern und den schlimmsten No-Go’s für Deutsche, Stichwort „Breslau“. Höhepunkt des Abends ist eine Wunderheilung. Ich werde einen unveröffentlichten Text vorlesen, der genau 500 Wörter hat, von denen 55 polnisch sind. Das Wunder: Jede(r) Deutsche versteht sie, auch wenn sie/er die letzte Nacht im Szlafrok auf dem Kibel verbracht hat. Seit der ersten öffentlichen Vorlesung dieses Textes bekomme ich jeden Tag kibelweise Mails von deutschen Ehemännern, die mir unter Tränen danken: „Nach fünfzehn stummen Weihnachtsfesten mit meiner polnischen Schwiegermutter habe ich erstmals Licht im Tunnel gesehen. Danke, Steffek!“